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Home » Patientenstorys » Da hängt ein Automat in Tokio
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Japan ist für seine Verkaufsautomaten bekannt: Getränke, Speisen, Blumensträuße, Regenschirme, Krawatten und auch Kurioses spucken sie aus. Im August fliegt Susanna Zsoter, 35, nach Tokio, um sich an einem der Automaten etwas ganz Skurriles zu kaufen – und damit einen weiteren Punkt auf ihrer Bucket List abzuhaken. Denn:Susanna hat unheilbaren Darmkrebs und ist Palliativpatientin. Hier erzählt die selbsternannte Krebskriegerin ihre Geschichte.

Susanna Zsoter

Darmkrebs Palliativpatientin und Bloggerin (Krebskriegerin)

Susanna, wann und wie bekamst du deine Diagnose?
Ich leide seit ich fünf Jahre alt bin an der Autoimmunerkrankung Morbus Crohn, die Diagnose erhielt ich jedoch erst mit 16. Die typischen Symptome Bauchkrämpfe und Durchfall begleiten mich, seit ich denken kann. Ich war damit in steter Behandlung in einer Uniklinik und schob es auch auf meinen Morbus Crohn, als ich 2015, da warich 28, plötzlich sehr viel Gewicht verlor. Ich war zudem sehr müde, kraftlos und appetitlos. Die Arbeit fiel mir schwer, das Studium nebenbei noch schwerer. Ich bekam Schmerzen und nachts schwitzte ich drei Pyjamas nass. Im Urlaub in der Steiermark saß ich vor einem vollen Teller und bekam von einem auf den anderen Tag keinen Bissen mehr runter. Die Apotheke vor Ort hatte mein Schmerzmittel nicht, sodass ich vor Verzweiflung weinte. Wieder daheim zeigte die Darmspiegelung viele Entzündungen. Ich wurde künstlich ernährt, um den Darm zu beruhigen. Als ich in der Nacht dann auf einmal sehr blutigen Stuhl hatte, wurden ein Darmverschluss festgestellt und eine OP angesetzt. Mir wurde nicht nur ein 12cm großer Ball verknoteter Darmschlingen entfernt, sondern auch ein 6,5 cm großer Tumor: Ich hatte Darmkrebs.

Wie wurdest du daraufhin behandelt?
Nach der sogenannten tumorfreien OP sollte ich eine Chemotherapie machen. Und ich dachte, danach würde ich wieder die Alte sein und mein Leben weiterleben können wie geplant. Doch aus einer Chemo wurden zwölf – nach der ersten entwickelte ich eine Sepsis – mit unterschiedlichen Medikamenten; keine davon schlug an. Mein Krebs hatte sich sogar ausgebreitet: Die Metastasen sitzen in den Lymphknoten und mitten in der Leber – so dicht an der Bauchschlagader, dass mir das Risiko einer OP zu hoch ist. Meine Ärzte hatten keine alternative Behandlung mehr zu bieten. 2016 galt ich als austherapiert. Mein Darmkrebs ist unheilbar – ich werde nicht wieder gesund. Das heißt, ich bin Palliativpatientin. Der Krebs durchkreuzte meine Lebenspläne. Mein Trotz keimte auf: Es muss doch irgendetwas geben! Auf eigene Faust betrieb ich Krankenhaus-Tourismus, sprach mit vielen Experten. Zufällig las ich auf Facebook von einer Studie zu einer Immuntherapie. Doch ich passte aufgrund meiner bestehenden Autoimmunerkrankung, Morbus Crohn nicht hinein. Man legte mir jedoch eine Off-Label-Therapie nahe.

Was brachte die?
Meine Metastasen schrumpften rasch. Von außen betrachtet sind die Krebszellen derzeit nicht aktiv. Das bestätigte mir auch ein PET-CT, das Modernste, was die Krebsmedizin aktuell an bildgebenden Verfahren bietet. Doch niemand kann ohne Weiteres bis ins Zentrum der Metastasenresiduen schauen. Die Immuntherapie, immerhin deutlich mehr als 120 Medikamentengaben, schlauchte mich aber auch: Leber und Darm entzündeten sich, ich nahm zu,wurde rastlos. Ich hatte die Nase voll von meinem Krebs. Seit sieben Jahren will er meinen Körper umbringen. Ich will nicht sterben. Ich habe nie daran gedacht, mich umzubringen. Ich will leben. Aber ich habe auch keine Kraft mehr für die ständigen Krebstherapien. Mit dem Wissen, dass ich meinen Darmkrebs derzeit in Schach halte, entschied ich mich gemeinsam mit meinen Ärzten daher nach dem erfreulichen PET-CT im Mai, mit der Behandlung auf unbestimmte Zeit zu pausieren. Ich lebe gerade nach dem Motto „mindful watch and wait“, also beobachten und bereit sein für ein schnelles Eingreifen, falls nötig.

Susanna, andere in deinem Alter planen Karriere, Hauskauf und Familie. Was planst du?
Dass mir der Krebs die Entscheidung nahm, ob ich Kinder bekomme oder nicht, nehme ich ihm übel. Das hätte ich gerne selbst entschieden. Doch ich habe schon recht schnell nach der Diagnose beschlossen, ihm nicht das ganze Feld zu überlassen. Ich legte mich nicht ins Bett, um auf den Tod zu warten. Stattdessen stand ich jeden Tag auf – um die Meerschweinchen zu füttern und mein Leben zu leben. Als „Krebskriegerin“ teile ich seitdem meine Geschichte und meine Erfahrungen mit anderen. Ich hatte viele Pläne für irgendwann, die ich jetzt sofort in die Tat umsetze: Ich reise. Im August geht’s nach Japan. Nicht nur wegen der Automaten, aber auch. Ich schaffe mir gute Momente, von denen ich an schlechten Tagen zehre.

Du bist Managerin: Was rätst du anderen unheilbar Erkrankten, um ihre Situation gut zu managen?
Ich dachte anfangs, ich organisiere alles: Mein Tod soll niemanden finanziell belasten. Ich ordnete meine Dinge, legte Geld für die Feuerbestattung auf die Seite und wollte auch die Grabpflege vorab bezahlen. Dann starb mein Vater, und ich beobachtete, wie wichtig es für meine Mutter war, zu ihm zu gehen und etwas an seiner Seite zu tun; sei es auch nur, welke Blumen gegen frische zu tauschen. Deshalb mein Rat: Reden. Redet mit euren liebsten Menschen. Was willst du – und was wollen die, die nach deinem Tod weiterleben? Reden hilft, nicht andauernd, aber zumindest einmal Klartext. Und dann leben. Jeden Tag.

Was wünschst du dir von Herzen, Susanna?
Ich habe mich trotz meiner unheilbaren Krankheit verliebt und werde geliebt, was für ein Glück! Mein Körper hält durch, was für ein Glück! Ich arbeite wieder, was für ein Glück! Ich wünsche mir Zeit. Und wenn die einmal um ist, dann wünsche ich mir, dass man sich meiner als die erinnert, die ihr Leben geliebt und in vollen Zügen genossen hat. Weinen um mich ist okay, aber ein herzliches Heullachen wäre mir am liebsten.

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