Assoc. Prof. PD Dr. Maria Theresa Krauth, Programmdirektorin Multiples Myelom und Leiterin der hämatologischen Ambulanz an der Medizinischen Universität Wien, über Symptome, Diagnostik und Therapien.
Assoc. Prof. PD Dr. Maria Theresa Krauth
Programmdirektorin Multiples Myelom, Leiterin hämatologische Ambulanz Medizinischen Universität Wien
Um welche Form der Krebserkrankung handelt es sich beim Multiplen Myelom?
Das Multiple Myelom ist eine Blutkrebserkrankung, die die antikörperbildenden Zellen (Plasmazellen, die Myelomzellen) im Knochenmark betrifft. Sie können direkt den Knochen schädigen, aber auch ein Protein (das sogenannte Paraprotein) produzieren, das andere Organe schädigen kann.
Welche Symptome treten auf?
Die häufigsten Symptome sind unklare Knochenschmerzen, weswegen die meisten Betroffenen zuerst einmal zur/zum Hausärzt:in gehen. Wenn die Knochenschmerzen mit konventionellen Schmerztherapien nicht verschwinden und über Wochen oder sogar Monate anhalten, sollte man unbedingt eine genauere Abklärung vornehmen, da in einem solchen Fall eine Blut- beziehungsweise Knochenkrebserkrankung die Ursache sein könnte. Die Schädigung des Knochens durch die bösartigen Myelomzellen im Knochenmark kann außerdem zu einer erhöhten Frakturneigung führen. Andere Symptome sind ausgeprägte Müdigkeit und eine gesteigerte Infektneigung.
Wie erfolgt die Diagnose?
Man muss Blut und Harn untersuchen sowie in einem Spezialzentrum für Bluterkrankungen eine Knochenmarkbiopsie durchführen. Eine radiologische Untersuchung (CT oder MRT) zeigt das Ausmaß der Knochenbeteiligung.
Muss man Angst haben vor der Knochenmarkbiopsie?
Nein, überhaupt nicht. Die Knochenbiopsie ist ein kleiner Eingriff, der unkompliziert erfolgt, meistens in lokaler Vereisung. Dabei wird ein Stück Beckenknochen und flüssiges Knochenmark zur Analyse entnommen. Die Diagnostik in Bezug auf Risiko- und Prognosefaktoren ist im Moment nur aus dem Knochenmark möglich.
Gibt es eine Bevölkerungs- oder Altersgruppe, die vom Multiplen Myelom besonders betroffen ist?
Ältere Menschen sind häufiger betroffen. Im Schnitt sind Betroffene bei der Erstdiagnose 65 bis 70 Jahre alt. Wir sehen aber auch zunehmend jüngere Patient:innen mit dieser Erkrankung.
Kann man dem Multiplen Myelom vorbeugen?
Nein, vorbeugen kann man leider nicht. Es ist nicht genauer bekannt, wer diese Erkrankung bekommt und warum. Das harmlose Vorstadium (MGUS) wird meist zufällig detektiert, es kommt aber in der Mehrzahl der Fälle nicht zu einer Behandlungsnotwendigkeit. Man sollte darauf achten, zur/zum Ärzt:in zu gehen, wenn die beschriebenen Symptome auftreten. Erste Anlaufstelle kann die/der Internist:in sein, die/der bereits viele Laborwerte bestimmen lassen kann, die für die Diagnose wichtig sind. Die finale Abklärung muss allerdings im Spezialzentrum erfolgen.
Welche Therapien sind aktuell verfügbar?
Das Multiple Myelom ist jene Erkrankung, die in den letzten Jahren im Vergleich zu allen anderen hämatologischen Erkrankungen wahrscheinlich die größten therapeutischen Fortschritte gemacht hat. Es gibt zahlreiche neue Wirkstoffe, die ganz anders wirken als die konventionelle stationäre Chemotherapie, die bis vor circa zehn bis 15 Jahren die einzige Therapieform darstellte. Es gibt neuartige Immuntherapien, die intravenös, aber auch teilweise subkutan oder oral verabreicht werden können. Patient:innen kommen dafür in regelmäßigen Abständen ambulant ins Krankenhaus und müssen nicht mehr stationär aufgenommen werden. Sie können ihrem Beruf weiter nachgehen und haben eine sehr gute Lebensqualität. Die ganz neuen Therapiemöglichkeiten mit CAR-T-Zellen und bispezifischen Antikörpern wirken extrem gut im rezidivierten Setting und werden bereits in früheren Therapielinien getestet. Sie können vielleicht sogar die autologe Stammzellentransplantation, die Rückgabe der eigenen Stammzellen, in der Anfangsphase der Erkrankung ablösen – hierzu laufen große internationale Studien. Aktuell werden CAR-T-Zellen noch bei einem Rückfall, der beim Multiplen Myelom früher oder später unvermeidbar ist, eingesetzt. Es geht heutzutage, dank der wirksamen Therapien, nicht mehr um das Überleben von Monaten, sondern von vielen Jahren. Vielleicht ist es auch in Zukunft möglich, die Erkrankung sogar ganz zu heilen.
Wie gehen die Patient:innen mit der Angst vor Rückfällen um?
Die Patient:innen sind, anders als früher, kontinuierlich unter Beobachtung. Das beruhigt sie. Die Patient:innen bekommen als Erhaltungstherapie meist eine milde Therapie. Sie sind regelmäßig in Kontrolle an unserer Spezialambulanz, sodass wir, noch bevor es zu einem Organbefall kommen kann, im Blut oder Harn Veränderungen schon sehr, sehr früh sehen und dementsprechend früh eingreifen können. Damit haben die Patient:innen sehr gute Therapieerfolgsaussichten. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Aufgrund der ständigen Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten und neuer Substanzen sind die Aussichten auf eine wirksame Therapie im Rezidiv ausgesprochen gut, die Zeit bis zum Rückfall beträgt derzeit mehrere Jahre.
Das heißt, die Patient:innen werden nicht alleingelassen.
Genau. Studiendaten zeigen, dass die Lebensqualität unter einer dauerhaften, kontinuierlichen Therapie, durch engmaschige Kontrolle, Kontakt zur/zum Vertrauensärzt:in und dem Spezialteam deutlich zunimmt. Die Krankheitssymptome nehmen speziell unter den neuen Immuntherapien sogar signifikant ab. Durch die kontinuierliche Begleitung können wir eingreifen, noch bevor es zu schwerwiegenden Schäden kommt. Das gibt den Patient:innen Sicherheit und erhöht die Therapiecompliance, also die Einhaltung der Therapie.
Welche Rolle spielen die Selbsthilfegruppen?
Es bestehen sehr enge Kooperationen zwischen den beiden Myelom-Selbsthilfegruppen und unserer Spezialeinrichtung für Myelompatient:innen. Die Selbsthilfegruppen bieten Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für Patient:innen an, bei denen auch wir als Ärzt:innen ehrenamtlich vortragen und Patient:innen beantworten. Das umfangreiche Angebot der sehr aktiven Selbsthilfegruppen und die Möglichkeit des Austauschs werden von den Patient:innen gern in Anspruch genommen.
Was möchten Sie Myelompatient:innen gerne mitgeben?
Jede:r Patient:in, die/der ein behandlungsbedürftiges Myelom hat, sollte zumindest am Anfang der Erkrankung oder Behandlung an einem Spezialzentrum für Multiples Myelom vorgestellt werden (durch die/den Hausärzt:inoder Internist:in). Bei der Kontaktaufnahme mit einem solchen Zentrum kann dann die optimale Therapie oder aber auch die Teilnahme an einer Studie besprochen werden. Patient:innen, die zuerst dachten, jetzt sei alles aus, haben schon bald gesehen, dass es ihnen mit den neuartigen, modernen Therapien schnell besser geht und der Alltag, trotz der Krebsdiagnose, gut zu bewältigen ist.
Anlaufstellen für Betroffene:
Multiples Myelom Selbsthilfe Österreich
Myelom- und Lymphomhilfe Österreich
Mit freundlicher Unterstützung von Janssen Cilag Pharma GmbH
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