Dank Innovationen in der Forschung haben CML-PatientInnen heute Zugang zu Medikamenten, die in vielen Fällen eine normale Lebenserwartung ermöglichen. Im Interview klärt der Hämatologe Univ.-Prof. Dr. Albert Wölfler über Hintergründe dieser vielversprechenden Therapie auf.
Univ.-Prof. Dr. Albert Wölfler
Klinische Abteilung für Hämatologie Medizinische Universität Graz
Was steckt hinter der Abkürzung CML?
CML steht für chronische myeloische Leukämie und ist letztendlich eine bösartige Erkrankung, die von den Blutstammzellen ausgeht. Wir schätzen, dass es in Österreich jährlich ungefähr 100 bis 150 Neuerkrankungen gibt, wobei ältere Menschen etwas häufiger betroffen sind als jüngere. Die CML ist durch eine spezifische Veränderung der Chromosomen 9 und 22 dieser Zellen charakterisiert, bei der das Fusionsgen BCR-ABL entsteht. Dies führt dazu, dass sich diese Zellen schneller teilen als normale Blutstammzellen. Daher erhöht sich die Anzahl dieser Zellen im Knochenmark und im Blut der PatientInnen. Unbehandelt wird die CML nach einer initialen chronischen Phase innerhalb von Jahren zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung, da nach und nach die gesunden Blutzellen verdrängt werden und auch die Aggressivität der Zellen zunimmt.
Wie hat sich die CML-Therapie entwickelt?
Nachdem die CML durch eine spezifische molekulare Veränderung definiert worden war (nämlich das Fusionsgen BCR-ABL), hatte man die Möglichkeit eine zielgerichtete Therapie gegen diese Veränderung zu entwickeln. Mitte der 1990er-Jahre wurden Substanzen entdeckt, die diese Veränderung in den CML-Zellen hemmt und so den Wachstumsreiz in den Zellen abschaltet. Diese Substanzen nennt man Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI).
Nach Einleitung einer TKI-Therapie normalisiert sich innerhalb einiger Wochen das Blutbild wieder, das sich zunächst noch durch eine deutliche Vermehrung der weißen Blutkörperchen charakterisiert hat. Wenn ein Patient auf diese Behandlung mit TKI gut anspricht, dann hat er die gleiche Lebenserwartung wie ein Patient ohne CML – und der absolute Großteil der PatientInnen spricht gut darauf an! Das ist ein großer Fortschritt!
Wie sieht der Zusammenhang zwischen Therapie und Lebensqualität aus?
Generell müssen CML-PatientInnen ihre Medikamente derzeit noch dauerhaft einnehmen. Studien zeigen, dass gerade bei älteren PatientInnen, die es ohnehin gewohnt sind, dauerhaft Medikamente einzunehmen, auch die Lebensqualität meist normal ist. Jüngere PatientInnen, die ansonsten oft noch keine Medikamente einnehmen müssen, berichten, dass ihre Lebensqualität durch die TKI-Einnahme teilweise ein wenig eingeschränkt sei.
Prinzipiell sind diese Medikamente jedoch recht gut verträglich. Der große Vorteil ist, dass wir nicht nur eine, sondern mehrere Substanzen zur Verfügung haben. Daher gelingt es in den allermeisten Fällen ein gut wirksames Medikament auszuwählen, bei dem der Patient kaum Nebenwirkungen hat und in seiner Lebensqualität nicht eingeschränkt ist. Wir kontrollieren das Blutbild und die Krankheitsaktivität von CML-PatientInnen alle drei Monate ambulant, ansonsten sind abgesehen von Knochenmarkpunktionen innerhalb des ersten Behandlungsjahres meist keine weiteren Untersuchungen notwendig.
Unsere Animation zeigt den Rückgang des Tumors durch Tyrosinkinaseinhibitoren bei CML. Zur Visualisierung sind alle Tumorzellen im Körper zu einer hypothetischen Kugel zusammenfasst.
Das sind ja sehr gute Nachrichten!
Ja, denn man muss sich vorstellen, dass es nach wie vor eine bösartige Erkrankung ist. In den allermeisten Fällen können wir aber sehr gut behandeln, sodass sowohl Lebensqualität als auch Lebenserwartung normal sind. Wir haben hier also ein tolles Ziel erreicht!
Welche Innovationen sind in Zukunft noch zu erwarten?
Die Medikamente sind heute schon sehr gut wirksam. Was wir mittlerweile von vielversprechenden Studien wissen, ist Folgendes: Es gibt PatientInnen, die so gut auf diese Medikamente ansprechen, dass man sich überlegen kann, sie nach einer Einnahme von fünf bis acht Jahren wieder abzusetzen. Die neuen Medikamente drängen nämlich die CML-Zellen rascher und stärker zurück und es besteht daher Grund zur Annahme, dass ein Teil dieser Personen bei gleichzeitiger engmaschiger Kontrolle längerfristig keine Medikamente mehr einnehmen muss. Auf diesem Gebiet darf man sich durch neue klinische Studien in den nächsten Jahren weitere Fortschritte erwarten. Auch das sind gute Nachrichten!
Laborwerte machen den Unterschied
Wie bei vielen anderen Krebserkrankungen wird auch bei CML zwischen Untersuchungen zur Diagnoseerstellung und Untersuchungen zur Verlaufskontrolle unterschieden.
Diagnose und Labor
Zur Diagnoseerstellung gehören neben einer ausführlichen Befragung durch den behandelnden Arzt auch eine Reihe von Untersuchungen, wie unter anderem Milz, Blutbild und Knochenmark. Der Einsatz moderner Labortechnik ist hier ebenso entscheidend wie die Expertise des Arztes.
BCR-ABL
Bei vielen Patienten normalisiert sich das Blutbild nach Behandlungsbeginn relativ schnell. Im weiteren Verlauf der Behandlung wird das Vorkommen des krankmachenden Gens BCR-ABL regelmäßig mittels einer Blutprobe im Labor untersucht. Im Idealfall sinkt das BCR-ABL-Wert im weiteren Verlauf der Behandlung kontinuierlich ab, bis er irgendwann einmal fast nicht mehr nachweisbar ist.
Therapie und Kontrolle
Der Verlauf der Laborparameter wird durch den Arzt genauestens überprüft, da wichtige Hinweise über den Therapieerfolg oder für etwaige erforderliche Therapieänderungen herausgefiltert werden können. Wichtig für PatientInnen ist, dass sie den Therapieerfolg regelmäßig mit ihrem Arzt besprechen und sich ihre Untersuchungsergebnisse sowie deren Bedeutung für die weitere Therapie erklären lassen.