Bestimmte Begleiterscheinungen von Krebserkrankungen und deren Therapien werden häufig zu wenig thematisiert. Der Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft, OA Dr. Wolfgang Jaksch, im Gespräch.
Dr. Wolfgang Jaksch
OA der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin im Wilhelminenspital, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft
Leiden eigentlich viele KrebspatientInnen unter chronischen Schmerzen, Herr Dr. Jaksch?
Schmerzen gehören leider oftmals zu einer Krebserkrankung dazu. Die Intensität des Schmerzes hängt aber stark vom Stadium der Erkrankung ab. In manchen Fällen führen aber auch erst die Schmerzen zur eigentlichen Diagnose. Das betrifft in etwa ein Drittel der PatientInnen.
Und während der Therapie wird diese Zahl an Betroffenen meist deutlich größer. Denn Schmerzen können auch therapiebedingt sein, etwa durch größere Operationen oder Chemotherapien. Das kann sogar Überlebende treffen, die als geheilt gelten, aber aufgrund der Therapie trotzdem weiterhin an Schmerzen leiden.
Gibt es bestimmte Tumorarten, die schmerzhafter sind als andere?
Ja, die gibt’s. Besonders dann, wenn Knochenmetastasen auftreten, ist das für PatientInnen sehr schmerzhaft. Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt auch als überdurchschnittlich schmerzhaft. Aber prinzipiell hängt der Grad des Schmerzes von der Tumorart, Tumorlokalisation und von der Metastasierung ab. Auch macht es einen Unterschied, ob Nervengewebe mitbetroffen ist. Und dann hängt es, wie schon gesagt, davon ab, ob große Operationen notwendig sind. Wobei die immer weniger werden.
Also nimmt die gezielte Schmerztherapie im Rahmen einer Krebserkrankung einen großen Stellenwert ein?
Natürlich. Man muss nur betrachten, dass knapp Dreiviertel der PatientInnen in irgendeinem Stadium ihrer Erkrankung einmal unter Schmerzen leiden. Dann ergibt sich die Wichtigkeit von selbst. Essenziell ist meiner Ansicht nach aber auch die richtige Dosierung der Schmerzbehandlung. Oft wird schon in einem frühen Stadium eine zu hohe Dosis eingesetzt, die gar nicht notwendig wäre. Da sollte man darauf achten, Schmerztherapien optimal an die Schmerzintensität zu adaptieren.
Wie gut sind chronische Schmerzen eigentlich therapierbar?
Wir Mediziner wissen und können natürlich heute schon sehr viel mehr als noch vor einigen wenigen Jahrzehnten. Aber chronische Schmerzen sind nicht immer ganz einfach therapierbar, denn sie wirken sich auch auf sehr viele andere Funktionen des Organismus negativ aus. Hinzu kommt, dass chronische Schmerzen auch sozial und psychisch beeinträchtigend sein können.
Wenn man sich all diese Aspekte ansieht, wird einem bewusst, dass es nicht reicht, chronische Schmerzen „nur“ mit Medikamenten zu behandeln. Je chronischer ein Schmerz ist, sprich je länger er andauert, umso dringender brauchen PatientInnen einen multimodalen Ansatz der Behandlung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Bewusstsein, dass Schmerzen sehr vielen Menschen auch Angst machen. Und Angst beeinträchtigt die Psyche und unseren gesamten Alltag. Daher sollten behandelnde Ärzte besonders auf Anzeichen für Angststörungen bei ihren PatientInnen achten und sie mit in die Therapie integrieren.
Können eigentlich Betroffenen selbst ihren Teil dazu beitragen, die eigene Situation zu verbessern?
Klar ist es ganz wichtig, PatientInnen in die Therapie miteinzubeziehen. Wobei es mir besonders wichtig ist, ehrlich mit den PatientInnen zu sein. Es wird in den Medien etwa häufig die Schlagzeile „Kein Patient muss Schmerzen haben“ propagiert. In vielen Fällen ist das aber gar nicht möglich.
Da geht es eher um eine bestmögliche Schmerzlinderung, um den Teufelskreis aus sozialem Rückzug, beruflichen Problemen und Stress in der Beziehung zu durchbrechen. Dazu gehört auch, dass der Patient akzeptieren lernt, dass der Schmerz da ist und er in seiner täglichen Aktivität nun einmal eingeschränkt ist.
Denn dann wird sich der Patient mit seiner persönlichen Situation einfach besser und leichter arrangieren können und letzten Endes damit zu leben lernen. Und darum geht es ja auch.
Also kann es gelingen, mit dem Schmerz leben zu lernen?
Das schaffen viele, ja. Wichtig ist, sich darauf einzulassen. Es nicht für sich zu behalten und Sorgen in sich hinein zu fressen, sondern das Thema chronischer Schmerz aktiv ansprechen. Etwa beim Arbeitgeber und vor allem seinem Lebenspartner gegenüber. Wer mit chronischen Schmerzen offen umgeht, wird auch vom sozialen Umfeld eher Verständnis ernten.