Den Krebs zu bekämpfen ist schwer, mit ihm zu leben oft sogar noch schwerer. Oberarzt Dr. Eduard Gaisfuss, Onkologe und Facharzt für Innere Medizin, rät deshalb zur Misteltherapie. Im Interview erklärt er, warum.
Wie sieht Ihre persönliche Erfahrung hinsichtlich der Misteltherapie aus?
Ich setze die Misteltherapie seit etwa zehn Jahren ein. Aufmerksam wurde ich auf sie aber schon früher im Rahmen von Praxisvertretungen. Damals war ich ihr gegenüber eher ablehnend eingestellt, bis ich mir letztlich sagte „Ich sollte mir selbst ein Bild machen.“ Das tat ich und war hellauf begeistert. Seither ist sie zur Standard-Begleittherapie für mich geworden.
Ich berate die Menschen auch gerne im Rahmen einer Chemo- oder Strahlentherapie beziehungsweise im Anschluss daran. Ich habe mittlerweile oft PatientInnen, die sich in einem fortgeschrittenen Tumorstadium befinden. Bei ihnen bringt die Misteltherapie Ergebnisse zustande, die ich persönlich nicht für möglich gehalten hätte. Man sieht im Rahmen dieser Therapie tatsächlich einen Zugewinn an Lebensqualität und dass Chemotherapien definitiv besser vertragen werden.
Welche Vorteile hat diese Therapieform noch für PatientInnen?
Der wichtigste Vorteil ist eine Steigerung der Lebensqualität. Darüber hinaus fallen die Nebenwirkungen bei Chemotherapien geringer aus. Ein dritter Vorteil liegt darin, dass sich PatientInnen die Mistel selbst verabreichen können. Damit steht eine weitere Therapieoption zur Verfügung. Vor allem für PatientInnen, deren Erkrankungen bereits ein Stadium erreicht haben, bei dem keine Aussicht auf ein langes Leben besteht. Hier kann man einen Zugewinn an Lebensqualität erreichen und – so meine Erfahrung – manchmal sogar eine Verlängerung von Leben.
Sind PatientInnen im Zuge der Misteltherapie auf ärztliche Betreuung angewiesen?
Nein. Die Misteltherapie ist eine Therapie, die Betroffene grundsätzlich selbst durchführen können. Sie bekommen die Spritzen und Ampullen und müssen sich den Wirkstoff lediglich immer wieder verschreiben lassen. In der Zwischenzeit werden die Kosten glücklicherweise auch von den Kassen übernommen. Wenn es Probleme gibt, können sich PatientInnen natürlich weiterhin an mich wenden. Sie genießen völlige Autonomie.
Beschreiben Sie doch einmal genauer die Wirkungsweise der Mistel!
Die Mistel setzt beim Immunsystem an und führt so zu einer Verbesserung der Abwehr. Eine Chemotherapie schwächt ja unweigerlich das Immunsystem der Betroffenen. Ich habe oft mit Infektionen zu tun und wenn ich die Mistel begleitend einsetze, beobachte ich seltener Infektionen. Man kann natürlich diskutieren, ob das reiner Zufall ist, aber die Anzahl von PatientInnen, die so reagieren, spricht für sich.
Ich habe auch erkannt, dass es im Zuge der Misteltherapie zu weniger Übelkeit bei den Behandelten kommt. Wenn jemand einen Pleuraerguss hat, sich also Flüssigkeit zwischen Rippen- und Lungenfell sammelt, was oftmals durch Tumore bedingt wird, kann man die Mistel durchaus direkt injizieren und das Wasser bildet sich dann langsam zurück. Ich setze im Rahmen der Chemotherapie standardmäßig auf die Tannenmistel, da meine PatientInnen sehr gut auf sie reagieren.
Wie sieht Ihrer Meinung nach der weitere Werdegang der Misteltherapie im medizinischen Bereich aus?
Es wäre für mich denkbar, dass sich die Misteltherapie zu einem etablierten Bestandteil jeder onkologischen Therapie entwickelt, dazu bräuchte es aber noch mehr Studien. Natürlich kann es bei ihr auch zu lokalen Hautreaktionen an der Injektionsstelle kommen, aber die klingen schnell ab. Wenn man richtig verfährt, gibt es bei dieser Therapie auch normalerweise keine Probleme. Derzeit wird die Mistel nur subkutan, nicht intravenös verabreicht. Vielleicht ändert sich das künftig und es lassen sich so noch mehr Vorteile für PatientInnen erwirken.