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Das Immunsystem: Die Polizei in unserem Körper

Medical background of bacteria or viruses from microscopic view.
Medical background of bacteria or viruses from microscopic view.
iStock/imaginima

Wie unser Immunsystem dem schwarzen Hautkrebs den Kampf ansagen kann. Und welche Neuerungen in der Krebstherapie bereits heute zukunftsweisend sind.

Wussten Sie, dass in Ihrem Körper tagtäglich entartete Zellen – potenzielle Krebszellen – entstehen? Diese werden vom Immunsystem jedoch (zumeist) erkannt und bekämpft. Kaum jemand weiß, welche Höchstleistungen unser Immunsystem tagtäglich erbringt, um unseren Körper vor Gefahren sowohl von außen als auch von innen zu schützen. Doch wie funktioniert das? Und wie kann unser eigenes Immunsystem möglicherweise eine Schlüsselrolle in der Heilung von Krebs einnehmen?

Unsere Zellen – Spitzenleister im System

Die Zelle ist der kleinste Baustein unseres Körpers. Dieser besteht aus etwa 100 Billionen Zellen. Jede einzelne dieser Zellen enthält eine exakte Kopie des Bauplanes unseres Körpers. So können zum Beispiel abgestorbene Teile von Organen durch die Teilung dieser Zellen wieder nachgebaut werden. Zellen teilen sich allerdings nur bei Bedarf – wann Bedarf besteht und wann nicht, wird im Zellkern entschieden. Die Zelle und der Zellkern werden durch eine Hülle, sogenannte Membranen, umgeben. Die Kommunikation zwischen den Zellen funktioniert aufgrund bestimmter Eiweißkörper, Oberflächenstrukturen wie Rezeptoren, welche sich auf der Membran – der Zelloberfläche – befinden. Es besteht ein komplexes Netzwerk, welches Informationen und Signale zuverlässig an den Zellkern weiterleiten kann.

Fehler im System: Tumoralarm!

Im Laufe unseres Lebens müssen die Zellen unseres Organismus viele (Umwelt-)Einflüsse und toxische Stoffe (Noxen) abwehren und ausgleichen. Die Haut, unser größtes Organ ist diesen Umwelteinflüssen, wie beispielsweise Sonnenbestrahlung, ausgesetzt. Unser Organismus entwickelt im Zuge seiner Entwicklung viele Wege, diese Einflüsse nahezu unbemerkt zu korrigieren, ohne dass der Mensch davon Schaden nimmt.
Es kann jedoch auch passieren, dass in unseren Körperzellen Fehler entstehen ohne dass der Organismus auf diese Veränderung reagiert oder diese korrigiert. Wenn ein solcher Fehler bei der Teilung der Zelle weitergegeben wird, kann es zur Entstehung eines Tumors kommen.

Wie entsteht der schwarze Hautkrebs?

Das Melanom, auch „Schwarzer Hautkrebs“ genannt, ist die gefährlichste Art des Hautkrebs. Ein Melanom entsteht aus jenen Zellen, die das Pigment bilden, das uns eigentlich vor den ultravioletten Strahlen der Sonne schützen sollte. Melanome bilden oft in einem sehr kurzen Zeitraum „Absiedelungen“ im Organismus, so genannte Metastasen.

Geliebter Feind: Sonne

Der größte Feind unserer Haut und damit größter Freund und Wegbereiter des Melanoms ist die Sonne. Der Mensch benötigt die Sonnenstrahlen zwar, um Vitamin D herstellen zu können, gleichzeitig können diese ultravioletten Strahlen auf unserer Haut aber auch erheblichen Schaden verursachen. Die Melanozyten, also jene Zellen, die uns durch ihre Pigmente vor einem Schaden beschützen sollen, können durch ultraviolette Sonnenstrahlen genetisch verändert werden. Diese Zellen können entarten und dann Melanome bilden. Dies passiert vor allem dann, wenn die Zellen des immunologischen Abwehrsystems geschwächt, in ihrer Funktion eingeschränkt oder ausgeschaltet sind. Vor allem zu häufiges Sonnenbaden und Sonnenbrände, besonders vor dem 18. Lebensjahr oder auf sehr heller Haut erhöhen das Risiko, Hautkrebs zu entwickeln. Wussten Sie übrigens, dass Sie sich auch bei einem Solarium-Besuch ultraviloetten Strahlen aussetzen? Auch hier ist natürlich Vorsicht geboten! 1
TIPP: Gehen Sie regelmäßig zum Haut-Screening zu Ihrem Hautarzt!

Jedes Jahr tausende Neuerkrankungen in Österreich

In Österreich wurde allein 2011 5.986 mal die histologische Diagnose „Schwarzer Hautkrebs“ gestellt.2  Bei einer frühzeitigen Diagnose kann das Melanom meist problemlos chirurgisch entfernt werden. Wird jedoch ein Melanom diagnostiziert, das bereits Metastasen gebildet hat oder schon in tiefere Hautschichten eingedrungen ist, ist die Prognose für den Patienten meist äußerst ungünstig. Die durchschnittliche Überlebensdauer von Patienten mit metastasiertem Melanom lag bis vor kurzem bei maximal 6-12 Monaten. Doch seit kurzem besteht Hoffnung – neue Therapieansätze zeigen beachtliche, ermutigende Ergebnisse und Erfolge.

Wie das Immunsystem veränderte Zellen erkennen kann

Das Immunsystem ist eines der wichtigsten Systeme, um unseren Körper gesund zu halten. Es besteht aus verschiedenen zellulären und löslichen Komponenten: den weißen Blutzellen (Lymphozyten), Antikörpern, Botenstoffen und Hormonen. Eine besonders wichtige Aufgabe als Teil des Immunsystems haben die Lymphozyten, besonders die T-Zellen. Diese können an der Oberfläche anderer Zellen erkennen, ob diese körpereigen oder körperfremd, also gut- oder bösartig sind. Wenn T-Zellen bösartige Zellen entdecken, werden diese durch toxische Stoffe geschädigt und damit getötet. Gleichzeitig werden Botenstoffe von aktivierten weißen Blutzellen freigesetzt, die weitere Zellen „rekrutieren“ mit dem Ziel, gemeinsam mit den T-Zellen die bösartigen Zellen zu beseitigen.

Der Schlüssel liegt im Immunsystem

Das Immunsystem ist, während es bösartige Zellen bekämpft, sehr eifrig. Man nennt diesen Zustand auch „aktiviert“. Ist das Immunsystem über einen längeren Zeitraum aktiviert, so kann es in unserem Körper auch Schaden anrichten: Es kann einerseits körpereigene Zellen angreifen, andererseits kann die Freisetzung von Botenstoffen zu allergischen Reaktionen und Fieber etc. führen. Aus diesem Grund hat unser Körper verschiedene Mechanismen entwickelt, um das Immunsystem nach getaner Arbeit wieder zu deaktivieren. Diese Deregulation ist wichtig, um – wie bereits gesagt – Überreaktionen zu vermeiden.

T-Zellen bilden zum Beispiel, nachdem sie die Tumorzellen bekämpft haben, an ihrer Oberfläche bestimmte Stoffe, Erkennungsmerkmale (Rezeptoren) aus. Diese Stoffe geben anderen Zellen das Signal, dass die Arbeit erledigt ist und die T-Zellen wieder beruhigt werden können. Leider können Tumorzellen ebenso beruhigende Stoffe wie T-Zellen bilden, sodass das Immunsystem deaktiviert wird, und sie nicht mehr angegriffen werden.

„Viele herkömmliche Krebs-Medikamente, vor allem Chemotherapeutika, zielen darauf ab, das Wachstum der Tumorzellen zu hemmen, bzw. Tumorzellen zu killen. Gerade beim Melanom ist der Erfolg der Chemotherapie allerdings weit hinter den Erwartungen geblieben. So liegt die durschnittliche Ansprechrate bei bescheidenen 6 Prozent bis maximal 12 Prozent“, so Prof. Klemens Rappersberger, Abteilungsvorstand Dermatologie, Krankenanstalt Rudolfstiftung Wien

Neue Herangehensweisen in der Krebsbekämpfung

Die Idee der Entwicklung von Medikamenten, die nicht direkt den Tumor angreifen, sondern das Immunsystem bei deren Bekämpfung aktivieren und unterstützen, besteht schon seit über 100 Jahren. Es gab teilweise auch richtungsweisende Erfolge, ein wirklicher Durchbruch blieb jedoch aus. Das ändert sich nun aber – speziell im Bereich der Bekämpfung von Hautkrebs.  

1  Abstract http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25207378, Reichrath J, Reichrath S., 2014
2  Vortrag Wissenschaftliche Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie am 22. 11. 2013, Wien 5.4. 2014 Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatohistopathologie Marburg, Deutschland. B. Monshi 1, A. Sesti 1, M. Vuic 1, Johann Feichtinger 2, K. Rappersberger 1
1 KA Rudolfstiftung, Abteilung für Dermatologie und
Venerologie
2 KA Rudolfstiftung, Institut für Pathologie


Interview mit Prof. Michael Micksche

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Prof. Michael Micksche

Medizinische Universität Wien © Krebshilfe

Welche neuen Therapieansätze gibt es?

Gerade in den letzten Jahren hat die Therapie von Krebserkrankungen auch im fortgeschrittenen Stadium, wo bereits Metastasen bestehen, wesentliche Fortschritte gebracht. Die sogenannte zielgerichtete Therapie bezieht sich auf Moleküle an/in Krebszellen – Biomarker – die für diese Zellen essenziell, das heißt lebensnotwendig sind. Werden diese Zielstrukturen durch Therapeutika getroffen, gehen die Krebszellen zu Grunde.
Eine rasante Entwicklung in der Behandlung von Krebs erleben wir derzeit auf dem Sektor der Immuntherapie. Jahrzehntelang wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Immunsystem gegen den Tumor scharf zu machen, in klinischen Studien getestet. Leider ohne große therapeutische Wirksamkeit. Ein Durchbruch – sowohl in Bezug auf Tumorrückbildungen als auch auf Verlängerung der Überlebenszeit – wurde in den letzten Jahren durch diese neue Immuntherapie erzielt.

Wie funktioniert das?

Krebszellen finden viele Wege, um den Attacken des Immunsystems zu entweichen. Ein Weg ist, die sogenannten „Checkpoints“ (die eine Aktivierung aber auch eine Deaktivierung dieser Abwehrzellen bewirken können) an Lymphozyten zu beeinflussen. Bei vielen Krebserkrankungen werden diese aktivierenden Signale an Lymphozyten ausgeschaltet, sodass der Tumor ungehindert wachsen kann. Die neue Immuntherapie richtet sich gegen diese „Bremse“, die das Immunsystem blockiert und in der Folge erkennen Lymphozyten wieder die Strukturen an Krebszellen und können diese durch zytotoxische Mechanismen abtöten.

Mit der Entwicklung von immunologischen Medikamenten, welche die T-Lymphozytenfunktion aktiv unterstützen, befindet sich die Behandlung von Krebs – insbesondere von Hautkrebs – in grundlegender Veränderung und wird sich in Zukunft noch wesentlich verbessern.

Gibt es bereits Erfolge mit diesem Therapieansatz?

Ja, es gibt mit dieser neuen Methode, Krebs zu bekämpfen bereits sehr gute Therapieergebnisse, besonders bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom. Durch diese neuen immunmodulierenden Medikamente wird auch bei anderen Krebsarten wie Lungen-, Nierenzell- und Prostatakrebs über interessante Therapieergebnisse berichtet. Man könnte also durchaus behaupten, dass in der Geschichte der Krebstherapie ein neues Zeitalter angebrochen ist.

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