Man kann nicht nicht kommunizieren.
Paul Watzlawick
Mag. Karin Isak
Klinische Psychologin, Schwerpunkt Psychoonkologie
Beratungsstellenleiterin der Österreichischen Krebshilfe Wien
Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Krebshilfe
Foto: Privat
Eine Krebsdiagnose trifft Menschen meist völlig unerwartet und unvorbereitet mitten im Leben – und löst starke Gefühle der Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit aus. Nicht nur Betroffene sind sprachlos und geschockt, auch die Familie gerät in eine Ausnahmesituation, denn „keiner erkrankt alleine“.
Kommunikation bestimmt unser Leben und das unserer Mitmenschen. Wir teilen uns ununterbrochen und überall allen mit. Kommunikation kann nützen – oder behindern.
Eine hilfreiche Kommunikation, Zuwendung und Empathie ändern nicht die Diagnose, jedoch die augenblickliche Lage. Eine von Verständnis geprägte Beziehung zwischen Patient:innen und dem gesamten Behandlungsteam schafft Vertrauen, bietet in der Krise Sicherheit und Halt und trägt wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität bei.
Kommunikation innerhalb der Familie
Auch das gesamte Familiensystem ist durch die Krebsdiagnose (heraus)gefordert. Aufgaben müssen umverteilt, Rollen getauscht, Kinder gut versorgt werden. Familienmitglieder schonen sich nun häufig gegenseitig, keine:r möchte den/die andere:n belasten – doch dieses Verhalten gepaart mit Sprachlosigkeit führt häufig zu Missverständnissen. Daher ist es wichtig, aufeinander zuzugehen und das Gespräch zu suchen.
Kinder müssen altersentsprechend mit viel Verständnis und Einfühlungsvermögen aufgeklärt werden, denn sie spüren, dass etwas Wichtiges in der Familie nicht stimmt und sind verunsichert. Je früher sie die Wahrheit erfahren, desto besser.
Als Angehörige:r achten Sie gut auf Ihre Grenzen und überfordern sich nicht. Die Frage „Was brauchst du von mir?“ kann sehr nützlich sein.
Tipps
- Sprechen Sie an, was Sie sich wünschen und was Sie von Ihren Angehörigen brauchen.
- Kommunizieren Sie offen mit Kindern und Jugendlichen, denn sie haben ein Recht darauf zu erfahren, welche Schritte als nächstes anstehen.
- Achten Sie als Angehörige:r gut auf Ihre Grenzen und überfordern Sie sich nicht. Die Frage „Was brauchst du von mir?“ kann sehr nützlich sein.
Kommunikation mit dem Behandlungsteam
Eine auf Augenhöhe stattfindende Kommunikation hilft, besser mit der Erkrankung umzugehen.
Tipps
- Stellen Sie Fragen an das Behandlungsteam und erfahren Sie, was Sie interessiert, was für Sie speziell wichtig ist und sprechen Sie es aus. Information und Wissen verringern nachgewiesenermaßen die Angst.
- Beschreiben Sie genau, wie Sie sich körperlich und seelisch fühlen, damit helfen Sie dem Behandlungsteam, mehr über Sie zu erfahren und gezielter auf Nebenwirkungen einzugehen.
- Schreiben Sie sich die wichtigsten Fragen auf und nehmen Sie sich diesen Fragenkatalog mit zur Ärztin oder zum Arzt – man vergisst in der Aufregung leicht, was man fragen möchte.
- Nehmen Sie eine Vertrauensperson mit zum ärztlichen Gespräch, vier Ohren hören mehr als zwei.
Kommunikation des Behandlungsteams mit den Betroffenen
Für eine gute Diagnosevermittlung und Erklärung von Behandlungen braucht es Zeit und Empathie.
„Es geht nicht um das unartikulierte Intellektualisieren, sondern um die Fähigkeit zu fühlen“
C. Rogers
Ein offenes Gespräch und die Zuwendung zum/zur Erkrankten vermindert Unsicherheit, Angst, Isolation und Einsamkeit und bringt spürbare Erleichterung für den Patienten oder die Patientin. Fragen, die gestellt werden, sollen vom Behandlungsteam ernst genommen und in verständlicher Sprache beantwortet werden. Der Arzt oder die Ärztin passt sich idealerweise an die Sprache des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin an.
Auch nonverbale Kommunikation wie Mimik und Gestik ist wichtig, denn Erkrankte sind besonders sensibel und interpretieren Zwischentöne – jede hochgezogene Augenbraue, jede Unsicherheit des Gegenübers – in eine negative Richtung.
Kommunikation im Freundeskreis und mit Arbeitskolleg:innen
Freundinnen und Freunde und Kolleg:innen ziehen sich häufig und für den/die Erkrankte:n nicht nachvollziehbar zurück. Sie haben Angst um den/die Betroffene:n und auch Angst davor, eventuell selbst zu erkranken. Diese unausgesprochene und meist völlig unbewusste Angst führt zum Rückzug von dem oder der Erkrankten, der oder die dies als Kränkung erlebt. Auch hier ist es ganz wichtig, im Gespräch zu bleiben.
Tipps
- Melden Sie sich immer wieder mit einer kurzen Nachricht/einem Telefonat (am Ball bleiben) und fragen Sie nach: „Was brauchst du jetzt gerade von mir? Wie und womit kann ich dich am besten unterstützen? Möchtest du gerade ein bisschen Ruhe und Abstand haben?“
- Hören Sie einander aufrichtig zu und lassen Sie das Gegenüber aussprechen.
- Ich-Botschaften statt Du-Botschaften („Es tut mir weh, wenn du so mit mir sprichst …“)
- Beschreiben statt bewerten!
NO-GOs
Keine oberflächlichen Floskeln, Pseudotröstungen oder Bevormundung, keine verfrühten und falschen Prognosen, Bagatellisierungen oder Dramatisierungen verwenden:
- „Das wird schon wieder …“
- „Alles halb so schlimm …“
- „Du musst jetzt stark sein …“
- „Der Befund wird sicher gut …“
- „Du musst dir keine Sorgen machen …“
- „Nimm dich doch zusammen!“
- „Andere in dieser Situation klagen auch nicht!“
- „Die Situation ist mehr als ernst, das ist dir doch hoffentlich klar!“
Unterstützung und Hilfe
In den Beratungsstellen der Österreichischen Krebshilfe gibt es wertvolle Unterstützung in Form eines breiten Beratungsangebots für Krebspatient:innen und deren Familien. Psychoonkologische Gespräche helfen, die Angst zu verringern und die Lebensqualität zurückzugewinnen. Scheuen Sie sich nicht, uns anzurufen, denn: REDEN HILFT!
Beratungsstellen finden Sie in allen Bundesländern. Die Krebshilfe ist österreichweit für Sie da:
Österreichische Krebshilfe
[email protected]
www.krebshilfe.net
Krebshilfe Wien
[email protected]
www.krebshilfe-wien.at
Buchtipp
Gottschlich, M. 2007. Medizin und Mitgefühl. Die heilsame Kraft empathischer Kommunikation. Böhlau, Wien, Köln, Weimar