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Bettina Weidinger

Pädagogische Leitung des Österreichischen Instituts für Sexualpädagogik Sexualpädagogin, Sexualberaterin, Supervisorin Leitung Lehrgang Praxisorientierte Sexualpädagogik

Mag.a Heidemarie König

Gesundheits- und Klinische Psychologin, Neurofeedbacktherapeutin, Sexualpädagogin, Sexualberaterin, Legasthenietrainerin, Leitung Lehrgang Praxisorientierte Sexualpädagogik

Bettina Weidinger und Mag.a Heidemarie König vom Österreichischen Institut für Sexualpädagogik über Sexualtherapie, die Bedeutung von Sex nach einer Krebserkrankung und das Wohlfühlen im eigenen Körper:

Eingangs mal die allgemeine Frage: Wie läuft eine Sexualtherapie grundsätzlich ab? Sind immer beide Partner in den Sitzungen dabei oder gibt es auch Einzelstunden? Mit welchen Erwartungen sollten die Betroffene und der Partner in die Therapie gehen?

Am Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapien arbeiten wir angelehnt an das Gesundheitsmodell Sexocorporel. Wir gehen davon aus, dass die Art und Weise, wie Menschen ihre Sexualität gestalten, die Folge eines Lernprozesses ist, der mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Sexualität ist also Teil eines Menschen und nicht unbedingt nur Teil eines Paares. Wir arbeiten daher in erster Linie mit Einzelpersonen, bieten aber die Möglichkeit von sogenannten Brückengesprächen für das Paar, um einen Transfer von der Einzelberatung in die Paarsituation zu unterstützen. Stellt sich allerdings heraus, dass die sexuelle Fragestellung vor allem die Folge einer Beziehungsproblematik ist, überweisen wir in eine Paartherapie.

Wie beeinflusst eine Brustkrebserkrankung die Partnerschaft? Was sind die häufigsten Probleme, mit denen Paare in einer solchen Situation konfrontiert sind?

Jede schwere Erkrankung ist ein Angriff auf die körperliche Integrität. Brustkrebs löst damit eine Art Körperkrise aus, die das Selbstverständnis im Umgang mit dem eigenen Körper ins Wanken bringt. Menschen, die vor der Diagnose einen sehr guten Zugang zum eigenen Körper hatten, haben es leichter, diese Krise zu bewältigen, als jene, die bereits davor in einer Unsicherheit mit dem Körper waren. Die persönliche Verunsicherung hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Beziehung zum Partner beziehungsweise zur Partnerin: Positive Rückmeldungen von außen werden wichtiger, wenn eine Unsicherheit besteht. Befindet sich der Partner aber selbst in einer Überforderung, kann es passieren, dass genau diese notwendigen, stabilisierenden Rückmeldungen ausbleiben.

Hinzu kommt, dass eine Körperkrise zu weniger Berührungskontakt führen kann. Der als krank erlebte Körper wird weder von der Patientin noch von der Partnerin oder dem Partner berührt. Genau das wäre aber wichtig: Durch die Berührung wird Zuwendung und Anerkennung gezeigt. Das klappt nicht immer sofort. Es braucht also auch Zeit, um Eigenberührungen und Paarberührungen wieder zulassen zu können.

Probleme entstehen immer dann, wenn das Paar keine Lösungsschritte für die neue, verunsichernde Situation findet. Dann entsteht Erstarrung. Wichtig ist also, einen Prozess zuzulassen – und genau das benötigt manchmal Unterstützung von außen.

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Auch interessant in dem Zusammenhang: Wie individuell sind diese Probleme? Gibt es bestimmte „vorgefertigte“ Lösungswege, die immer wieder zur Anwendung kommen, oder ist es eher so, dass jedes Paar seinen eigenen Weg aus der Krise – sofern man das so bezeichnen kann – finden muss?

Beides. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass es für beide Personen wichtig ist, die eigene Betroffenheit allein mit externen Personen zu besprechen. Zusätzlich braucht es sogenannte Inseln der Stabilität und „Normalität“, also Aktivitäten für sich allein, aber auch als Paar, wo sich beide abseits der Erkrankung erleben können. Das kann die Arbeit sein, eine Party oder ein Urlaub. Dafür braucht es aber manchmal einen Input von außen. Die Diagnose kann eine Bündelung von Gedanken auslösen, die sich ausschließlich um die Erkrankung drehen. Das ist auch wichtig, um einen Umgang damit zu finden. Parallel dazu sind die Fragen „Was ist an mir beziehungsweise an uns gesund? Was macht mich/uns glücklich?“ wesentlich. Die Herausforderung liegt darin, die Erkrankung ernst zu nehmen und sich selbst wie auch als Paar als ein Ganzes zu erleben, wo es viele positive Aspekte gibt, aber eben auch die Krankheit. Wie das konkret gelingen kann, was dabei unterstützend wirkt, ist dann wieder sehr individuell.

Bei der Diagnose Brustkrebs fühlen sich viele Betroffene direkt in ihrer Weiblichkeit und Sexualität bedroht. Um es deutlicher zu formulieren: Sie fürchten im Falle einer Brustamputation den Verlust des Frauseins. Wie stark sind Ihrer Meinung nach diese Sorgen gesellschaftlich begründet und wie begegnet man ihnen am besten?

Gesellschaftlich gesehen wird die Entwicklung eines positiven Zugangs zu den eigenen Brüsten gar nicht unterstützt. Das führt
bei vielen Frauen dazu, dass die Brüste als Objekte wahrgenommen werden, die in erster Linie einen sexuellen Symbolwert haben. Letzteres wird durch mediale Darstellungen unterstützt. Ein praller, großer Busen ist wichtig, um als Frau gesehen zu werden. Für manche Frauen ist eine Brustrekonstruktion daher sehr wichtig, weil sie genau diesen Konstruktionen entsprechen möchten, um sich in ihrem Körper wohlfühlen zu können. Das ist absolut legitim und sollte jedenfalls unterstützt werden.

Unabhängig davon, ob eine Rekonstruktion angestrebt wird oder nicht, geht
es immer auch darum, den neuen Körper auch als solchen anzunehmen – ganz unabhängig davon, wie dieser aussieht.
Das funktioniert natürlich nicht innerhalb weniger Wochen, sondern kann Monate und auch Jahre in Anspruch nehmen. Das Um und Auf ist dabei die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, also weniger das Betrachten im Spiegel, sondern vielmehr das tägliche Berühren und Bewegen des gesamten Körpers. Denn Körperintegrität folgt sehr basalen Prinzipien: Je mehr der Körper sanft und bewusst berührt wie auch bewegt wird, desto leichter ist es für Menschen, diesen Körper zu akzeptieren. Da dies in einer Körperkrise nicht so einfach möglich ist, ist es ratsam, sich dafür Unterstützung zu holen.

2018 hat sich Angelina Jolie als Vorsichtsmaßnahme beide Brüste amputieren lassen. Damit hat sie auf ihr hohes Brustkrebsrisiko reagiert, da ihre Mutter 2007 an Brustkrebs verstorben ist. Wie groß war für Sie die Wirkung dieses Schrittes? Hat das etwas verändert bei Ihren Patientinnen?

Die positive Auswirkung dieser medial sehr wirksamen Maßnahme war und ist mit Sicherheit, dass gesellschaftlich ein größeres Bewusstsein für die Brustkrebsprävention entstanden ist. Irritierend an dieser sehr drastischen Vorgangsweise war die Leichtigkeit, mit der die Brustamputation nach außen kolportiert wurde. Brüste sind, im Idealfall, integrierter Teil des Körpers. Die Auseinandersetzung mit einer möglichen Brustamputation kann in eine sehr starke Krise führen und braucht daher Zeit und Begleitung. Durch die mediale Präsenz bemerkten wir bei manchen Klientinnen, dass sie eigene Ängste und Fragestellungen nicht artikulieren konnten, da sie davon ausgingen, dass diese kein Thema sein dürften. Für die Entscheidung für oder gegen eine Amputation – wie auch für die Verarbeitung einer solchen – ist eine differenzierte Auseinandersetzung auf emotionaler wie auch medizinischer Ebene wichtig. Ziel ist ja, dass die getroffene Entscheidung ein Leben lang als sinnvoller und richtiger Weg erlebt werden kann.

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Wie ein Paar als Team mit Brustkrebs fertig wird auf blickaufsie.info

Weitere Infos finden Sie außerdem unter: www.sexualpaedagogik.at

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